Das Interuni-Seminar -
Ein kleines Wunder in Japan
Motivierte Studenten, die freiwillig über den Rahmen des universitären
Deutschunterrichts hinaus weiter Deutsch lernen wollen, haben die beste
Gelegenheit in den Ferien, sich fünf Tage lang intensiv mit der deutschen
Sprache zu beschäftigen, denn zum Glück gibt es in Japan seit
1978 jährlich zweimal Interuni-Seminare: das Juniorenseminar und das Sommerseminar.
Das Juniorenseminar ist für Deutsch-Anfänger. Jedes Jahr kommen etwa 100 Studierende
von ganz unterschiedlichen Universitäten in dem auf einem schneebedeckten
Zauberberg in Kashi/Fukushima gelegenen Gästehaus zusammen. Sie werden dann je nach Sprachkompetenz in 10 Gruppen eingeteilt
und bekommen insgesamt 6 Mal à drei Stunden Sprachunterricht. Auch
abends werden verschiedene Programme wie Debatten, Gedichteschreiben oder
Sprachspiele angeboten, und am letzten Abend darf die große Schlussfeier
natürlich nicht fehlen. Für Deutschlehrer ist das Juniorenseminar
ein Ort, an dem sie auch sprachdidaktische Neuheiten ausprobieren, gegenseitig
hospitieren und Unterrichtsideen austauchen können. Inzwischen gibt
es auch ein Schwesterseminer für West-Japan, das den gleichen Namen „interuni“ trägt.
Das Sommerseminar hingegen ist für sprachlich fortgeschrittene Studenten und Doktoranden
konzipiert und verfolgt das ehrgeizige Ziel, sowohl ein sprachdidaktisches
als auch ein themenorientiertes Seminar zu sein mit der Grundüberzeugung,
dass eine erlernte Fremdsprache kein bloßes Kommunikationsmittel
ist, sondern auch immer Anlass zur kritischen Reflexion über die Kultur
sowohl dieser Fremdsprache, als auch der eigenen Muttersprache und über
den eigenen Standpunkt. Etwa 25 japanische Studenten und einige Professoren
diskutieren auf Deutsch anhand von vorbereiteten Texten über komplexe
Themen wie "Kampf der Erzählungen" oder "Unrecht und
Betroffenheit". Wenn sie diskussionsmüde werden, so haben Sie
auch Gelegenheit zur Erholung, denn das Seminarhaus liegt direkt am blauen Nojiri-See in Nagano, wo man schön schwimmen,
rudern und grillen kann.
Das Interuni-Seminar ist durch den Geist von vier "Inter-"s getragen:
es will immer eine inter-universitäre Zusammensetzung sein, will inter-disziplinär und auch inter-kulturell sein, und es hat sogar ein neues Wort geprägt: das "Inter-Lernen". Gemeint ist damit, dass Professoren und Studenten ohne Schranken
voneinander lernen.
Diese Beschreibung legt wohl nahe, dass das Interuni-Seminar durch einen
gewissen Idealismus und Spontaneität gekennzeichnet ist. In der Tat
hat das Interuni-Seminar bisher jede Institutionalisierung bewusst vermieden
und stets aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit gearbeitet: Die Studenten
kommen freiwillig, die deutschen und japanischen Lehrkräfte verzichten
gern für diese 5 Tage auf Ihren Urlaub und arbeiten dafür fast
ehrenamtlich, und die Organisatoren übernehmen eine Menge Arbeit.
Wie durch ein Wunder hat sich dieses Prinzip der Freiwilligkeit über
ein Viertel Jahrhundert bewährt und wird hoffentlich weiter so funktionieren.
Das Interuni-Seminar träumt nur noch: Mögen auch in anderen
Ländern wie China oder Korea, aber auch vielleicht unter den Japanologiestudenten
in Deutschland, vergleichbare Seminare entstehen, mit denen es dann gern inter-national
zusammenarbeiten will!
(geschrieben von AIZAWA
Keiichi und HOSHI Makiko im November 2006, zunächst für die Zeitschrift Letter vom DAAD)